Iran-Konflikt vor einer Wende? Eher nicht!

29.08.2019 um 17:59

(c) Peter Kufner

Vom G7-Treffen in Biarritz ging die Botschaft aus, dass es zu einem Treffen von US-Präsident Donald Trump mit Irans Staatspräsident, Hassan Rohani, kommen könnte. Vor zu großen Erwartungen sei dringend gewarnt.

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Das G7-Treffen in Biarritz am vergangenen Wochenende scheint auf den ersten Blick so etwas wie ein Wendepunkt zur Beendigung der Pattsituation im Zusammenhang mit dem Atomabkommen von 2015 zu sein. Die Tatsache, dass dem iranischen Außenminister, Javad Zarif, die Möglichkeit eingeräumt wurde, beim Gipfeltreffen der Gruppe der Sieben sich mit Frankreichs Staatspräsidenten, Emmanuel Macron, Außenminister Jean-Yves Le Drian sowie britischen und deutschen Diplomaten zu treffen, wurde von Beobachtern als positiv bewertet.

Auch die Ankündigung von Präsident Macron, dass er die Voraussetzungen für ein Treffen zwischen dem iranischen Präsidenten, Hassan Rohani, und US-Präsident Präsident Donald Trump als gegeben ansehe, und Trumps Erklärung, dass er unter Umständen bereit sei, sich mit Rohani zu treffen, wurden von manchen Beobachtern als starke Entspannungssignale aus Biarritz gewertet.

Geschäfte statt Regimewechsel

Trumps Bekräftigung, dass die USA anstatt eines Regimewechsels einen starken Iran brauchten, um Geschäfte machen zu können, könnte jedoch bei einigen Staaten im Nahen Osten und nicht zuletzt bei manchen in Europa und den USA lebenden Iranern, die sich den Sturz des Regimes wünschen, mit gehörigem Argwohn aufgenommen worden sein.

Soweit aus den Gesprächen bekannt ist, sollte dem Iran erlaubt werden, 700.000 Fass Rohöl pro Tag (später 1,5 Millionen Fass pro Tag) gegen eine Reihe von Verpflichtungen einzukaufen. Diese bestehen darin, am bestehenden Atomabkommen festzuhalten, Maßnahmen zu treffen, um die Spannungen am Persischen Golf abzubauen, seine Rolle als Regionalmacht im Nahen Osten, insbesondere in Syrien, in Jemen und im Libanon, neu zu definieren und zu konstruktiven Gesprächen über sein Raketenprogramm bereit zu sein. Schließlich sollte festgesetzt werden, was nach 2025 geschehen soll, wenn das derzeitige Atomabkommen ausläuft.

Geht man von der gegenwärtigen Außenpolitik der USA aus, braucht Präsident Trump vor der US-Präsidentenwahl im nächsten Jahr dringend einen Erfolg, zumal seine sechs in Angriff genommenen außenpolitischen Maßnahmen bisher keinen Erfolg hatten. Seine Versprechen, die US-Truppen aus Afghanistan abzuziehen, einen zügigen Regimewechsel in Venezuela herbeizuführen und das nordkoreanische Regime dazu zu bringen, sein Raketenprogramm einzustellen, wurden trotz mehrerer Treffen mit Staatschef Kim Jong-un bis heute nicht eingelöst.

Enorme Budgetprobleme

Der Handelskrieg mit China dauert an, und der versprochene Friedensplan, um den Dauerkonflikt zwischen Israel und Palästinensern zu beenden sowie durch Sanktionen gegen den Iran einen Regimewechsel in Teheran herbeizuführen, konnte bis dato nicht umgesetzt werden. Und so erscheint die von Donald Trump in Aussicht gestellte Möglichkeit, sich unter Umständen mit Präsident Rohani zu treffen, als ein weiterer Versuch des US-Präsidenten, einen außenpolitischen Erfolg zu verbuchen.

Auch der Iran braucht einen Erfolg in seiner Außenpolitik, zumal sich das Land seit Jahren in der internationalen Isolation befindet und die iranische Bevölkerung von den amerikanischen Sanktionen am schwersten betroffen ist. Der von Großbritannien, Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland errichtete Transaktionskanal (Instex), um mit dem Iran weiter Handel betreiben zu können und so die US-Sanktionen zu umgehen, hat bis heute keine konkreten Resultate gebracht.

Gegenwärtig kann der Iran lediglich 100.000 Fass Rohöl pro Tag ins Ausland exportieren, das Land leidet deshalb unter einem enormen Budgetdefizit. Dies wiederum schmälert die Möglichkeiten der Machthaber in Teheran, die mit ihnen verbundenen Milizen im Irak, in Syrien, in Jemen sowie die Hisbollah im Libanon weiter wie bisher finanziell zu unterstützen, um Irans Rolle als Regionalmacht gerecht zu werden.

Die Tatsache, dass die militärischen Stellungen beziehungsweise Munitions- und Waffenlager der Revolutionsgardisten in Syrien und im Irak von der israelischen Luftwaffe systematisch bombardiert werden und Teheran so einen hohen Preis für derartige Verluste hinnehmen musste, sind eindeutige Indizien dafür, dass der Iran sich gegenwärtig in einer defensiven Position befindet. Teheran ist nicht mehr wie bisher in der Lage, seine bisherige Politik in der Region umzusetzen.

Das Dilemma der Hardliner

All dies könnte erklären, warum Javad Zarif vom geistlichen Oberhaupt des Landes, Ali Khamenei, die Erlaubnis bekommen hat, der Einladung von Präsident Macron nach Biarritz Folge zu leisten, um die weitere Vorgangsweise über mögliche direkte Verhandlungen mit den USA zu sondieren. Die iranische Staatsführung, insbesondere Revolutionsführer Ali Khamenei und andere Hardliner innerhalb der Revolutionsgardisten, befinden sich in einem großen Dilemma: Wenn der Iran aus seiner gegenwärtigen Position heraus mit den USA verhandeln sollte, hieße dies im Klartext: die USA als Ordnungsmacht im Nahen Osten zu akzeptieren, den Staat Israel zu dulden und sich allmählich politisch und militärisch aus dem Irak, aus Syrien, Jemen und dem Libanon wieder zurückzuziehen.

Dies wiederum stünde im krassen Widerspruch zur jahrelangen politschen Propaganda der Islamischen Republik: die USA der eigenen Bevölkerung als den „großen Satan“ zu präsentieren, die Zerstörung des Staats Israel zu propagieren und sich durch das Engagement in Syrien, Irak, Jemen und im Libanon als ernst zu nehmende Regionalmacht zu zeigen.

Sture Ideologen

Hinzu kommt noch der Umstand, dass die heutige iranische Staatsführung von einer schiitischen und fundamentalistischen Ideologie geleitet wird, die jegliche Konsensfindung mit ihren „Feinden“ ablehnt und die sich rühmt, im Falle einer politischen und physischen Niederlage als „Großmärtyrer“ in die islamische Geschichte einzugehen.

So wünschenswert die Erklärungen von Präsident Macron und Trump in Biarritz auch gewesen sein mögen, so unrealistisch scheint derzeit, dass die gegenwärtige Staatsführung im Iran tatsächlich bereit sein könnte, direkte Verhandlungen mit den USA aufzunehmen. Unrealistisch auch deshalb, weil Präsident Rohani nach dem G7-Treffen konstatierte, dass Präsident Trump noch vor einem Treffen die Sanktionen gegen den Iran aufheben sollte. Falls dies geschehe, „könnte man über weitere positive Entwicklungen reden“.

Nach dem Treffen mit Außenminister Zarif in Biarritz haben 100 Abgeordnete einen offenen Brief an Präsident Rohani geschrieben und ihn vor Direktverhandlungen mit den USA gewarnt. Trotzdem bleibt abzuwarten, ob die vom G7-Gipfel geweckten Hoffnungen auf ein baldiges Treffen mit US-Präsident Donald Trump in Erfüllung gehen könnten.

Zum Autor:

Homayoun Alizadeh (* 1952 in Zürich) ist iranischer Abstammung. Er studierte Politik und Rechtswissenschaften an der Universität Wien und absolvierte die Diplomatische Akademie in Wien. Er war mehrere Jahre im Innenministerium im Flüchtlingsbereich tätig und von 1995 bis 2014 leitender Funktionär des UN-Hochkommissärs für Menschenrechte in Afrika, Asien und in Genf.

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